Coaching, Art and Design

Kann man mit Virtual Reality Coaching Prozesse begleiten? Diese Ausgangsfrage war die Basis für mein künstlerisches Forschungsprojekt im virtuellen Raum. Um mich diesem Thema nicht nur künstlerisch zu nähern, beschloss ich auch einen Coaching Prozess mit TiltBrush durchzuführen. Da Coaching-Prozesse jedoch immer vertrauenswürdig ablaufen, soll daher in diesem Beitrag, in Rücksichstnahme auf den Coachee, nicht der Inhalt des Coachings-Prozesses im Vordergrund stehen, sondern die Umsetzung und der Ablauf. Bevor ich jedoch in die Details einsteige, möchte ich näher auf die Methodik des kunstanalogen Coachings eingehen.

Das kunstanaloge Coaching verbindet klassische systemische Coaching Methoden mit künstlerischen Prozessen. Systemisches Coaching hat zum Ziel die Ressourcen des Coachees herauszuarbeiten, so dass dieser gezielt neue Perspektiven einnehmen kann und daher neue Handlungsstrategien für seine Herausforderungen entwickeln kann. Systemisch bedeutet in diesem Fall die Fokussierung auf die eigenen Stärken und Handlungsmöglichkeiten, auf die der Coachee von sich heraus in seinem System, in dem er handelt, zurückgreifen kann. Jeder Mensch bewegt sich auf Basis seiner Prägung und seinen Erfahrungen in seiner eigenen Wirklichkeit. Menschen handeln auf Basis von Erfahrungen und ihren individuellen Perspektiven. Dies ist die Grundtheorie des Konstruktivismus. Tauchen nun Herausforderungen oder Probleme auf, die man nicht mehr einfach lösen kann, so ist es wichtig, neue Erfahrungen zu sammeln, da bewährte Verhaltensmuster nur begrenzt einsetzbar sind. Die künstlerischen Prozesse, die im kunstanalogen Coaching eingesetzt werden, haben das Ziele neue Handlungsräume erfahrbar zu machen. In der künstlerischen Arbeit steht dabei die Wahrnehmung von ästhetischen Erfahrungen im Vordergrund. Es gibt unterschiedliche Prozessschritte, die im kunstanalogen Coaching eingesetzt werden können. Um jedoch das Kernprinzip zu verdeutlichen, nutze ich folgend einen einfachen Prozess für die Vorgehensweise:

Kunstanaloger Coachingprozess

Befindet sich ein Coachee in einer Problemsituation, bei der es ersteinmal keine klare Lösung gibt, so spricht man von einer Problemtrance, in der sich der Coachee um sich und sein Problem dreht. Im kunstanalogen Coaching werden im ersten Schritt im Rahmen einer Anliegensklärung konkrete Ziele und wünschenswerte Ergebnisse festgelegt. Der Coach unterstützt dabei den Coachee durch konstruktive Fragen ein erstes gutes Ergebnis zu definieren. Diese Anliegensklärung strukturiert und konkretisiert ein Ziel und dient dabei als Orientierung für den Coachingprozess.

Im Zweiten Schritt wird der Coachee in einen künstlerischen Prozess eingeladen. Dieser Prozess hat im ersten Schritt bewußt nichts mit dem Problem zu tun. Daher wird dieser Schritt auch künstlerische Dezentrierung genannt, eine bewußte Irritation, die den Coachee weg von seinem Problem führt. Der künstlerische Prozess kann dabei unterschiedliche Formen annehmen. Dies könnte eine Performance, eine Installation, eine Collage, ein Klangexperiment, ein Text oder eine Kombination aus mehreren Medien sein. Wichtig bei diesem Prozess ist der Umgang mit künstlerischen Formaten, die sich weg von bekannten Symbolen oder gelernten Bildern bewegen.

Sensibilisierung

Um dem Coachee, der kein ausgebildeter Künstler sein muss, den Einstieg in das künstlerische Arbeiten so einfach, wie möglich zu machen, findet als erstes eine Sensibilisierung statt. Dabei wird der Coachee mit dem Material, das im künstlerischen Prozess zum Einsatz kommt, vertraut gemacht und aufgefordert, neue Sichtweisen einzunehmen. Dabei werden unterstützdende Fragen gestellt, wie: welche Gräusche macht Papier, wie fühlt sich Draht an oder welche Eigenschaften haben Nadeln, wenn sie zu Boden fallen.

Nach der Sensibilisierung wird ein künstlerischer Prozess gestartet, der ergebnissoffen auf das Interesse des Coachees eingeht. Dabei muss kein perfektes Kunstwerk entstehen. Der Coachee entscheidet, welche Qualitäten und welche Handlungsstrategien zu einem ästhetischen Ergebnis führen, die für ihn zurfriedenstellend sind. Der Coach begleitet den Coachee im Rahmen des Prozesses mit Fragen, die dabei unterstützen das künstlerische Interesse des Coachees herauszuarbeiten. Schon während des Prozesses werden ästhetische Qualitäten und Handlungsstrategien besprochen, die den Coachee bei seinem Prozess unterstützen. Am Ende des Prozesses findet abschliessend eine finale Analyse des Werkes statt. Dabei kann das Werk auch der Prozess sein. Die Fragen haben das Ziel verschiedene Perspektiven aus der künstlerischen Arbeit zu extrahieren. Das können spannende Materialeigenschaften, aber auch Handlungsstrategien, überraschende Erlebnisse oder Bedeutungszuweisungen sein, die im künstlerischen Tun für den Coachee relevant geworden sind. Das Gespräch über das Werk wird dann genutzt, aus den Ergebnissen, neue Erfahrungswerte zu nutzen, die auf das usprünglische Problem angewendet werden können. Im Transfer wird der Coachee danach gefragt, ob er im künstlerischen Tun, neue Erfahrungen oder Sichtweisen sammeln konnte, die für seine Ausgangsfrage bedeutungsvoll sind.

VR-Coachingprozess

Bei dem Coaching-Prozess mit TiltBrush habe ich die Sensibilisierung vor die Anliegensklärung gelegt, da es ein paar technische Einführungen in Bezug auf das Programm und den Umgang mit den Controllern und der VR Brille zu beachten gab. Ich wollte zum einen den Übergang von der Anliegensklärung nicht zu stark mit grundsätzlichen Vorgaben unterbrechen und zum anderen auch ersteinmal einen spielerischen und leichten Einstieg in die virtuelle Welt ermöglichen. Bis man sich an die Umgebung und den Umgang mit der Brille und den Controllern gewöhnt hat, vergehen ein paar Minuten. Desweiteren war mir wichtig zu klären, ob sich der Coachee in der VR-Umgebung überhaupt wohlfühlt. Wäre die VR Welt nicht angenommen worden, so hätte ich auch noch auf eine andere künstlerische Dezentrierung mit anderen Materialien umschwenken können. Nachdem jedoch der Coachee Neugierde bekundet hatte und alle Formalitäten geklärt waren, konnte der Coaching-Prozess beginnen.

TiltBrush bietet teilweise sehr illustrative Pinselformen an, in denen man sich vor allen Dingen in der Kombination schnell in einem Meer von blinkenden und explodierenden Sternenwelten verlieren kann. Um nicht gleich in symbolhafte Bilder einzutauchen, bat ich den Coachee nur aus den einfarbigen Pinselwerkzeugen einen Pinselstrich und eine Farbe für den Hintergrund auszuwählen. Um den Einstieg in den künstlerischen Prozess so einfach wie möglich zu gestalten, bat ich den Coachee dann als erstes mit Bewegungen zu starten. Zum einen ist in TiltBrush die Körperbewegung ein sofort deutlich werdendes Gestaltungselement, zum anderen nimmt der Einstieg über die Bewegung die Angst und Blockade vor der „weissen“ Fläche. Durch die Bewegung wird schnell ein Gebilde sichtbar, über dessen Qualitäten man sprechen kann.

Meine Bedenken, dem Prozess ohne VR-Brille nicht folgen zu können, bestätigten sich zum Glück nicht. Ich konnte als Coach den Prozess gut über einen zweiten Monitor verfolgen und erkennen, welche Schritte für den Coachee spannend und wichtig waren. Der Coachee konnte für sich aus dem Arbeiten mit TiltBrush auch ein Ergebnis mitnehmen, das ihm als neue Handlungserfahrung durch das Arbeiten in der virtuellen Welt eine neue Perspektive eröffnete. Vor allen Dingen der Einstieg über die Bewegung schien ein einfacher und gut nachvollziehbarer Schritt in die Dezentrierung zu sein. Abschliessend kann ich sagen, dass sich das Arbeiten mit TiltBrush sehr gut eignet, um einen kunstanalogen Coachingprozess durchzuführen. Durch die virtuelle Welt findet beim Aufsetzen der Brille sofort eine erste neue Perspektive statt. Spannend ist dabei auch die klare Trennung vom künstlerischen Tun zurück in den Transfer. Um genaue verlässliche Ergebnisse zu evaluieren, fehlen definitiv zu dem derzeitigen Zeitpunkt noch weitere Coaching-Prozesse. Aber für ein erstes Ergebnis lässt sich bestätigen, dass die Archiktektur eines kunstanalogen Coachingsprozess defintiv umsetzbar ist und die virtuelle Welt einen künstlerischen Prozess, wie bei anderen Medien und Materialien zulässt. Durch die Speicherung der Ergbnisse in Poly ließ sich zudem das Ergbnis für den Coachee jederzeit nochmal abrufen, was als positiver Mehrwert empfunden wurde. Mit der rasanten Weiterentwicklung der 3D Brillen und neuen VR Medien ist die Verwendung im kunstanalogen Coaching ein ernstzunehmendes Tool, das sich durchaus für einen kunstanalogen Coachingsprozess eignet und neue Perspektiven eröffnet.

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Created by Susanne Dold